Meldung vom 30.05.2014 / DEG

Nachgefragt bei der Leiterin des DEG-Außenbüros in Brasilien

Mariana Bormann

Die ganze Welt blickt zurzeit auf Brasilien. Dabei steht nicht nur die Fußballweltmeisterschaft im Fokus. Brasilien hat sich rasant entwickelt und ist heute die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt. Das Schwellenland hat aber auch mit verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen, z.B. einer ausgeprägten sozialen Ungleichheit. Die DEG ist seit fast 50 Jahren in Brasilien aktiv. Mariana Bormann, Leiterin des DEG-Büros in São Paulo, berichtet über die Arbeit vor Ort.

Frau Bormann, Brasilien ist das größte Land in Lateinamerika. Spiegelt sich dies auch im aktuellen DEG-Portfolio wider?

Ja, die Größe und Bedeutung des Landes spiegelt sich sowohl in unserem Portfolio als auch bei den Neuzusagen 2013 wider. Von den 1,8 Milliarden Euro des gesamten Lateinamerika-Portfolios entfielen rund 500 Millionen Euro auf die Region Mercosur, und davon allein auf Brasilien 255 Millionen Euro. Brasilien hatte auch beim Neugeschäft 2013 mit 70 Millionen von 130 Millionen Euro für den Mercosur den größten Anteil.

Portrait von Frau Bormann

Kurz vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft zeigt sich – und nicht zum ersten Mal –, dass es in Sachen Infrastruktur einigen Nachholbedarf gibt. Was sind die größten Herausforderungen?

Die Infrastruktur ist seit geraumer Zeit die Achillesferse Brasiliens. Nachdem lange zu wenig passiert ist, wurde in den letzten Jahren einiges im Bereich Infrastruktur projektiert. Häfen und Straßen wurden ausgebaut – sowohl im wirtschaftlich starken Süden und Südwesten als auch im immer noch wenig entwickelten Norden. Es werden Bahnstrecken gebaut und ausgebaut. Eine soll künftig Zentralbrasilien mit einem neuen Hafen im Norden verbinden, um die Fracht- und Transportkosten aus den landwirtschaftlichen Anbaugebieten zum Exporthafen zu reduzieren.

In den Ballungszentren wurde in den letzten 20 Jahren wenig in die urbane Mobilität investiert. In einer Stadt wie São Paulo kann es vorkommen, dass ein geschäftliches Meeting von einer Stunde, bei dem die Anfahrt weniger als zehn Kilometer beträgt, einen halben Tag Zeit in Anspruch nimmt. Dies bedeutet für die Wirtschaft enorme Kosten.

Und schließlich nehmen die Probleme in der Energieversorgung zu. Abgesehen von „normalen“ Stromausfällen wegen veralteter Netzinfrastruktur drohen demnächst zusätzliche Ausfälle aufgrund des geringen Niederschlages in den letzten zwölf Monaten. Brasilien hat eigentlich einen vorbildlichen Energiemix mit mehr als 80 Prozent Erneuerbaren Energien. Das Land ist aber nach wie vor zum größten Teil von Wasserkraft und somit von ausreichendem Regen abhängig, trotz steigender Investitionen in weitere alternative Energiequellen (Wind, Biomasse, Solar).

Seinen enormen Nachholbedarf im Infrastrukturbereich kann Brasilien aus meiner Sicht nur mit einer Mischung aus eigener Investitionskraft und externen Mitteln langfristig in den Griff bekommen.

Und welche Rolle spielt die DEG dabei?

Im Infrastruktursektor schauen wir uns derzeit unter anderem ein Binnenschifffahrtprojekt im Süden Brasiliens an. Eine wichtige Rolle sehe ich vor allem im Bereich Erneuerbare Energien, um den Energiemix zu verbessern. Die DEG war bereits 2007 als Gründungs- und Ankerinvestor an ERSA (heute CPFL Renováveis) beteiligt, einem Renewable Energy Developer. Aktuell schauen wir uns verschiedene Windkraft-Ansätze an; ein Kunde plant z.B. den Bau von Windparks und möchte damit auch einen Teil seines eigenen Energiebedarfs decken.

Ganz aktuell haben wir außerdem letzte Woche bei einem deutsch-brasilianischen Symposium in der Stadt Natal die ersten Ansätze im Bereich Solar diskutiert. Dabei zeigte sich, dass hier Finanzierungen in Lokalwährung nachgefragt werden, da die Verträge mit den Stromabnehmern in brasilianischem Real abgeschlossen werden.

Gibt es Schwerpunkt-Branchen bei den Finanzierungen durch die DEG?

So vielfältig wie das Land ist auch das Portfolio der DEG. 2013 war rund die Hälfte für Investitionen in Industrie, Gesundheit und Bildung bestimmt, rund 37 Prozent waren Kredite an mittelständische Banken zur Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen, hinzu kamen Finanzierungen im Agrar- und Infrastruktursektor mit Schwerpunkt Erneuerbare Energien.

Welche Kunden betreuen Sie vor Ort – sind das vor allem brasilianische oder deutsche Unternehmen, oder aus der Mercosur-Region?

Die von uns vor Ort betreuten Kunden sind überwiegend lokale Unternehmen, auch wenn São Paulo der größte deutsche Industriestandort außerhalb Deutschlands ist. Aber natürlich haben wir auch die deutschen Tochtergesellschaften auf dem Schirm.

Was unternimmt die DEG, um die Nachhaltigkeit der von ihr mitfinanzierten Vorhaben sicherzustellen?

Die DEG begleitet seit mehr als 50 Jahren die Unternehmen mit langfristiger Finanzierung durch alle „Hochs- und Tiefs“ und hat sich dadurch den Ruf eines zuverlässigen Partners erarbeitet. Mit unseren Begleitmaßnahmen „helfen“ wir den Unternehmen zusätzlich, was von unseren Kunden überaus geschätzt wird.

Bei unseren Engagements arbeiten wir durchgängig sehr eng mit unserer Abteilung Nachhaltigkeit zusammen. Ein entscheidender Punkt, um Nachhaltigkeit sicherzustellen, ist nicht nur die umfassende betriebswirtschaftliche sowie umwelt- und sozialrelevante Prüfung, bevor die Finanzierung eines Vorhabens zugesagt wird, sondern auch das laufende Monitoring des Engagements und die enge Begleitung durch unsere Portfoliomanager vor Ort.

Auch Bildung ist ein wichtiges Thema in Brasilien. Gerade junge Leute fordern mehr Geld dafür. Wie engagiert sich die DEG in diesem Bereich?

Bildung und Gesundheit sind zentrale Themen. Auch hier spielen privates Engagement und somit auch die Finanzierung durch die DEG eine wichtige Rolle. So finanzieren wir etwa die Aktivitäten der Universität Anhanguera (AEDU), die ein umfassendes Programm auch für Menschen mit geringen Einkommen bietet.

Aktuell prüfen wir die Machbarkeit mehrerer Investitionsvorhaben in den für Brasiliens weitere Entwicklung wichtigen Sparten Gesundheit und Bildung.

Mariana Bormann leitet das DEG-Büro in São Paulo seit rund einem Jahr. Zuvor arbeitete die gebürtige Argentinierin, die in Brasilien aufgewachsen ist, 26 Jahre für verschiedene Banken in Deutschland.

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