Meldung vom 03.11.2016 / DEG

Nachgefragt bei dem Leiter der DEG-Abteilung Nachhaltigkeit

Martin Geiger

Sie haben gemeinsam mit den Nachhaltigkeitsexperten der CDC einen Leitfaden zu Landrechtsfragen entwickelt. Was ist die Zielsetzung?

Dieser Praxisleitfaden gibt Unternehmen, die bereits genutzte Landflächen für agrarwirtschaftliche Vorhaben erwerben oder pachten, praktische Hilfestellung. Er basiert auf Erfahrungen von Unternehmen, die bei lange ungelösten Landrechtsfragen schließlich gute Lösungen gefunden haben. Gerade in Entwicklungsländern kommt es vor, dass Landrechte nicht geklärt sind oder betroffene Kommunen und lokale Bevölkerung nicht ausreichend eingebunden wurden.

Richtet sich der Leitfaden nur an Unternehmen und Investoren?

Nein. Er dient auch dazu, Kommunen und Bevölkerung dabei zu helfen, ihre Rechte eindeutig zu formulieren sowie lokales Entwicklungspotenzial und wirtschaftliche Chancen zu identifizieren.

Was ist aus Ihrer Sicht besonders wichtig, wenn es um die Klärung von Landfragen geht?

Bevor Unternehmen landwirtschaftlich genutztes Land pachten oder kaufen, sollten sie sorgfältig prüfen, ob Ansprüche auf die Nutzung dieses Landes durch Dritte bestehen, die möglicherweise von den Voreigentümern oder Pächtern nicht ausreichend berücksichtigt oder kompensiert worden sind. In afrikanischen Ländern beispielsweise muss geprüft werden, ob neben der staatlichen Verwaltung des Landes parallel traditionelle Systeme der Landnutzung bestehen und ob sich daraus weitere Verpflichtungen für das Unternehmen ergeben könnten.

Wesentliche Faktoren sind unserer Erfahrung nach die verbindliche, offene Kommunikation mit der lokal betroffenen Bevölkerung im Vorfeld der Investition und eine klare Vereinbarung mit den Gemeinden über die Art und Weise, wie Unternehmen und Bevölkerung in Zukunft sich austauschen und kooperieren. Unternehmen, die sich bereits in Produktion befinden, sollten sich offen für Beschwerden oder entstandene Konflikte zeigen, diese konstruktiv im Dialog aufgreifen, legitime Ansprüche anerkennen und versuchen, Lösungen zu finden.

Können Sie Beispiele nennen, die Sie in diesem Kontext zurzeit beschäftigen?

Da ist etwa ein Engagement in DR Kongo, in das mehrere Entwicklungsfinanzierer investieren. Es geht um die Erneuerung von vor vielen Jahren angelegten Ölpalm-Plantagen, um ein wichtiges Grundnahrungsmittel für die Menschen vor Ort lokal zu produzieren. Teure Importe entfallen so. Das Unternehmen PHC beschäftigt knapp 4.000 feste und über 5.000 saisonale Mitarbeiter in einer entlegenen, wenig entwickelten Region des Landes.

Die bewirtschafteten Flächen sind von der Regierung gepachtet, PHC hat die Flächen von einem zuvor lange dort tätigen Unternehmen übernommen. Die Landtitel hierfür sind in regelmäßigen Abständen zu erneuern. Das Unternehmen arbeitet zurzeit sehr engagiert daran, diesen Prozess unter Einbindung der zuständigen lokalen Behörden und der Bevölkerung zu verbessern und zu modernisieren. In einem von Kriegen geprägten Land, einem der ärmsten der Welt, ist das sicher ein anspruchsvolles Unterfangen,. Wir denken, dass diese Arbeit erforderlich und sinnvoll ist.

Ein anderes Engagement ist in Sierra Leone: Dort hatten wir zusammen mit weiteren Entwicklungsfinanzierern in ein Agrarunternehmen investiert. Auch bei diesem Vorhaben („Makeni“) hat sich das Unternehmen Addax im Austausch mit den lokalen Gemeinden und der Bevölkerung umsichtig um die Pachtung der Flächen gekümmert. Das Vorhaben hat vor Ort auch erhebliche positive Effekte bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln, der Schulung von Bauern und der Verbesserung der lokalen Infrastruktur bewirkt. Daran haben die Entwicklungsfinanzierer gezielt mitgewirkt.

Leider hat sich das Projekt zuletzt nicht so entwickelt wie erhofft. Dazu hat die Ebolakrise erheblich beigetragen, die Sierra Leone und die Region hart getroffen hat. Addax hat sich dabei mit unserer Unterstützung vorbildlich in der Bekämpfung der Krankheit engagiert. 2015 hat es das Projekt dann einem Review-Prozess unterzogen und schließlich unser Darlehen zurückgezahlt, so dass die DEG nicht mehr investiert ist.

Vor kurzem gab das Unternehmen bekannt, dass das Vorhaben zusammen mit einem anderen Investor fortgeführt wird. Der hat angekündigt, dass nachhaltiges Community Development auch ein wichtiger Bestandteil seiner Agenda ist. Wir hoffen, dass an die geschilderten Anfangserfolge angeknüpft werden kann. Dazu werden wir auch auf den neuen Investor zugehen, um unsere Erfahrungen und Empfehlungen aus dem Projekt zu teilen.

Martin Geiger leitet seit Juni 2012 die DEG-Nachhaltigkeitsabteilung. Er war zuvor langjährig für den WWF tätig.

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