Meldung vom 17.12.2015 / DEG
Nachgefragt bei dem langjährigen Leiter des DEG-Büros in der Türkei
Winfried Nau
Herr Nau, Sie haben fünf Jahre lang das Außenbüro der DEG in der Türkei geleitet. Was prägt die Arbeit an diesem Standort?
Bei unserer Arbeit in der Türkei bewegen wir uns in einem politisch herausfordernden, wirtschaftlich hoch interessanten und äußerst dynamischen unternehmerischen Umfeld. In Istanbul selbst gibt es zudem eine hohe Konzentration von Finanzierungsinstituten und überregional tätigen Unternehmen, so dass die Stadt als Wirtschafts-Hub von großer Bedeutung für die gesamte Region ist.
Wie wirkt sich die aktuelle Lage in der Türkei auf Unternehmen aus?
Das muss man sicherlich differenziert sehen. Die bestehenden politischen Unsicherheiten haben durch die Wahlen am 1. November etwas abgenommen, da die seit zwölf Jahren regierenden AKP nun wieder eine klare parlamentarische Mehrheit hat. Nun hoffen die Unternehmen hier auf eine schnelle Umsetzung der dringend erforderlichen Reformen. So leidet das Land an einigen strukturellen Problemen wie einer hohen Volatilität der Lokalwährung Lira, einer nach wie vor hohen Inflation sowie einer Wachstumsschwäche. Das derzeitige Wirtschaftswachstum reicht nicht aus, um genügend Arbeitsplätze für die nachwachsende, junge Generation zu schaffen.
Zudem gibt es eine große Unsicherheit in den Märkten, auf die sich die türkischen Export-Unternehmen in der Vergangenheit konzentriert haben: Teile Südeuropas leiden noch immer unter einer Wirtschaftskrise. In Osteuropa und insbesondere in Russland und der Ukraine herrschen äußerst schwierige Bedingungen. Der Nahe Osten befindet sich teilweise im Kriegszustand. Das ist natürlich keine einfache Situation für die lokalen Unternehmen, die auf diese Märkte gebaut haben.
Aber wir beobachten auch, dass die türkischen Unternehmer sehr kreativ sind im Erschließen neuer Märkte und beispielsweise in Afrika oder in Asien investieren. Von Zementwerken oder Kraftwerksprojekten in Westafrika bis zu Tourismus-Projekten auf den Malediven – wir werden immer wieder auf interessante Ansätze angesprochen. Darin zeigt sich auch die Dynamik und Risikobereitschaft der türkischen Unternehmer.
Die DEG ist auch in anderen Ländern der Region tätig, beispielsweise im Irak. Wie kann unternehmerische Entwicklungszusammenarbeit dabei helfen, Fluchtursachen zu bekämpfen?
Das Büro in Istanbul betreut auch den Nord-Irak, den Libanon und Jordanien, was uns vor große Herausforderungen stellt. Zurzeit gibt es sehr interessante Ansätze in Jordanien im Bereich der Energieversorgung und bei einem Privat Equity Fonds. Der Fonds, für den wir eine Investition gerade prüfen, wird sich an Unternehmen nicht nur in Jordanien sondern in der gesamten Region beteiligen. Auf diese Weise kann die DEG einen Beitrag leisten, lokale Unternehmen zu fördern, deren Wachstum über die Schaffung von Arbeitsplätzen wiederum Fluchtursachen bekämpfen hilft.
Wie schätzen Sie mittelfristig die wirtschaftlichen Aussichten der Türkei und die Chancen für dort tätige Unternehmen ein?
Mittelfristig schätze ich die wirtschaftlichen Aussichten als gut ein. So hat die Türkei einen großen Binnenmarkt mit fast 80 Millionen Einwohnern, viele davon sind jung und konsumfreudig. Die türkische Unternehmerschaft ist sehr dynamisch und hat in den vergangenen, wachstumsstarken Jahren eine Reihe von größeren Unternehmen hervorgebracht, die sich auf den internationalen Märkten sehr gut behaupten.
Um das bestehende Potenzial besser zu nutzen und auch ihre Exportstärke zu erhöhen, muss die Türkei vor allem im Industriesektor noch einige wichtige Schritte unternehmen. Neben den bereits angesprochenen Strukturreformen muss für mehr Verlässlichkeit für Investoren gesorgt und der Bildungsstand sowie die inländische Sparrate deutlich erhöht werden. Durch bessere Rahmenbedingungen kann es gelingen, mehr ausländische Investoren anzuziehen, die den Industriestandort Türkei nachhaltig stärken. Denn zurzeit fehlt vor allem eine größere Wertschöpfungstiefe. So hängt die lokale Wirtschaft noch zu stark von ausländischen Zulieferungen ab. Wenn die Türkei konsequent an diesen Themen arbeitet, sind die Aussichten für die Zukunft sehr günstig.
Winfried Nau leitet bis Ende Dezember 2015 das DEG-Außenbüro in der Türkei und wird danach wieder nach Deutschland zurückkehren. Sein Nachfolger in Istanbul ist Florian Münkle, der seit acht Jahren für die DEG tätig ist.

Seite teilen
Um die Inhalte dieser Seite mit Ihrem Netzwerk zu teilen, klicken Sie auf eines der unten aufgeführten Icons.
Hinweis zum Datenschutz: Beim Teilen der Inhalte werden Ihre persönlichen Daten an das ausgewählte Netzwerk übertragen.
Datenschutzhinweise
Alternativ können Sie auch den Kurz-Link kopieren: https://www.deginvest.de/s/dedBZF67.BOHA
Link kopieren Link kopiert