Meldung vom 06.03.2014 / DEG
Nachgefragt bei der Leiterin der Abteilung Agrarwirtschaft der DEG
Franziska Hollmann

Frau Hollmann, die DEG finanziert seit vielen Jahren in Entwicklungsländern Unternehmen, die im Agrarsektor tätig sind. Was sind die Beweggründe?
Nahrungsmittel sind ein wesentliches Grundbedürfnis. Dies allein ist aus unserer Sicht schon Grund genug, die Erzeugung, Verteilung und Verarbeitung von Lebensmitteln mitzufinanzieren. Zudem schafft der Agrarsektor gerade auch in entlegenen Gebieten Arbeit und Einkommen für einen Großteil der ländlichen Bevölkerung. Investitionen in die Landwirtschaft und die gesamte Wertschöpfungskette tragen damit maßgeblich zur Ernährungssicherung der wachsenden Weltbevölkerung bei.
Der Agrarsektor ist aber auch über die Lebensmittelerzeugung hinaus ein wichtiger Sektor mit zunehmender Bedeutung: Parallel zu den Einkommen der Menschen in den Entwicklungsländern steigt auch der Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen wie Holz, Kautschuk und Baumwolle - aber auch an Energie. Mit unseren Finanzierungs- und Beratungsmaßnahmen haben wir schon häufig dazu beigetragen, dass Agrar-Unternehmen durch die effiziente Nutzung ihrer organischen Reststoffe (z.B. Reis-, Kakao- oder Nussschalen) energieautark werden oder sogar von ihnen nicht verwendete Energie ins Netz einspeisen können.
Was sind die Hauptziele bei Ihren Vorhaben?
Wir möchten ein verlässlicher Finanzierungspartner für nachhaltig wirtschaftende Agrarunternehmer sein. Wir beraten unsere Kunden und entwickeln gemeinsam mit ihnen Aktionspläne für umweltfreundliche, ressourcenschonende und klimaverträgliche Investitionen. Dabei leisten wir durch die Finanzierung von Investitionen in Produktions- und Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft – möglichst unter Nutzung von Brachflächen - einen Beitrag zur Versorgung in Entwicklungsländern.
Um Hunger wirkungsvoll zu bekämpfen, ist es uns wichtig, dass besonders in ländlichen Gebieten Arbeitsplätze und Einkommen geschaffen werden, damit die Menschen so besseren Zugang zu Lebensmitteln haben. Wir legen daher besonderen Wert auf sozial verantwortliche Investoren, die die Kernarbeitsnormen der International Labour Organization einhalten und denen faire Vertragsbeziehungen mit Zulieferern, Abnehmern oder im Zusammenhang mit Landerwerb wichtig sind.
Darüber hinaus müssen in den Entwicklungsländern dringend Nachernteverluste reduziert werden. Sie stellen mit 40% aller produzierten Nahrungsmittel einen hohen betriebs- wie auch volkswirtschaftlichen Schaden dar. Die DEG finanziert neben der Agrarwirtschaft und der Lebensmittelindustrie auch Investitionen in effiziente, moderne Lager- und Kühlhäuser, in die Transportinfrastruktur (z.B. Schüttguthäfen) und in Energievorhaben.
Was sind die besonderen Herausforderungen im Agrarbereich in Entwicklungsländern?
Das ist regional sehr unterschiedlich. Generell gilt, dass die Anbaubedingungen durch den Klimawandel mit seinen extremen Wetterphänomenen schwieriger werden. Wir stellen mit dem von uns und dem WWF entwickelten Wasserrisikofilter eine umfassende Datenbank kostenlos zur Verfügung, mit der Investoren das „Wasserrisiko“ ihres Vorhabens untersuchen können und gegebenenfalls Hinweise für risikobegrenzende Maßnahmen erhalten.
Angesichts hoher Ernteschwankungen und auch spekulativer Einflüsse hat die Volatilität der Preise für Agrarprodukte weiter zugenommen. Dies kann soziale Probleme in den Entwicklungsländern nach sich ziehen, stellt aber auch hohe Anforderungen an das Finanzmanagement der Agrarunternehmen. Die DEG unterstützt ihre Kunden unter anderem mit Beratung zum Risikomanagement von Preisschwankungen,
Weitere Herausforderungen stellen die Landflucht, die geringe Attraktivität der Arbeit im Agrarsektor und der niedrige Ausbildungsstand in vielen landwirtschaftlichen Regionen dar. Es werden daher dringend öffentliche Investitionen in die schulische und berufliche Ausbildung benötigt. Landwirtschaft muss sich von der Subsistenzwirtschaft hin zu einem professionellen und wirtschaftlich attraktiven Berufsbild wandeln. Auch mangelnde oder unklare Eigentumsrechte an Land sind meines Erachtens ein Thema, das von staatlicher bzw. Regierungsseite anzugehen ist.
Wie sieht ein DEG-Engagement in der Regel aus?
Unsere Finanzierungen sind langfristig; sie liegen je nach Verwendung der Mittel bei Laufzeiten von 5 bis 15 Jahren. Die Finanzierungsart - Darlehen, Beteiligungen, Garantien oder mezzanine Finanzierungen - richtet sich nach dem Bedarf des Unternehmens. Die Konditionen hängen vom Risikoprofil ab.
Aus unserer langjährigen Erfahrung mit Agrarfinanzierungen kennen wir die Besonderheiten von Agrarunternehmen wie saisonale Produktionszyklen, natürliche Ernteschwankungen, Preisbewegungen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Bilanzstruktur und den Liquiditätsbedarf unserer Kunden. Daher ist letztendlich jede Finanzierung maßgeschneidert.
Können Sie uns ein Beispiel für eine Agrarfinanzierung nennen?
Ein Beispiel ist ein Unternehmen in Sambia. Dem haben wir für Investitionen langfristige Finanzierungen in Höhe von rund 20 Mio. US-Dollar zu marktorientierten Konditionen aus Eigenmitteln bereitgestellt. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen rund 5.000 Menschen in Sambia.
Das Unternehmen stellt Grundnahrungsmittel her, Fleisch, Milch, Milchprodukte, Eier, Speiseöle, Mehl und Brot. Es trägt damit wesentlich zur Nahrungsmittelproduktion in Sambia bei. Die Löhne, die das Unternehmen seinen Beschäftigten zahlt, dienen ebenfalls der Einkommens- und Ernährungssicherung. Außerdem bietet es der Bevölkerung vor Ort kostenfreie Unterstützung bei Produktion und Verarbeitung ihrer Ernteerträge an. Hierdurch wird die Produktivität der Kleinbauern gesteigert – auch das ein Beitrag zur Ernährungssicherung.
Es klingt so, als kämen dafür hauptsächlich größere Unternehmen in Frage. Die meisten Landwirte – besonders in Afrika und Asien – sind Kleinbauern und kleine Familienunternehmen. Können auch sie profitieren?
Ja, allerdings nicht in jedem Fall durch eine direkte Finanzierung, sondern zum Beispiel über unsere Engagements an lokalen Banken und an spezialisierten KMU- und Agrarfonds, die mit Hilfe von DEG-Finanzierungen Kredite an landwirtschaftliche Klein- und Mittelständische Unternehmen vergeben.
Rund die Hälfte unserer Kunden im Agrarsektor arbeitet übrigens mit Kleinbauern in unterschiedlichen Formen von Vertragslandwirtschaft zusammen und finanziert häufig deren Ernte vor. Die DEG-Finanzierung deckt oft den damit verbundenen permanenten Bedarf an Umlaufvermögensfinanzierung. Dabei achtet die DEG in besonderem Maße auf eine faire Vertragsbeziehung zwischen dem Unternehmen und den Kleinbauern. In etlichen Fällen unterstützen wir Kleinbauern außerdem mit landwirtschaftlichen Schulungen über unser „Technical-Assistance“-Programm.
Worin sehen Sie zukünftige Schwerpunkte der DEG-Agrarfinanzierung?
Wir wollen unsere Kunden auf dem Weg zu einer sozialeren, nachhaltigeren und effizienteren Agrarwirtschaft durch unsere individuellen Finanzierungen unterstützen. Dabei setzen wir verstärkt auf Risikokapital, wo gerade im Agrarsektor ein hoher Bedarf besteht. Außerdem werden wir unser Beratungsangebot im Bereich Ressourceneffizienz ausbauen. Ganz wesentlich ist für uns, auch auf diesem Wege dazu beizutragen, dass Menschen besser ernährt werden, qualifiziert werden und Perspektiven entwickeln können.
Franziska Hollmann hat neun Jahre Erfahrung in der Finanzierung von Agrarunternehmen in Entwicklungsländern und leitet seit drei Jahren die Agrarwirtschaftsabteilung der DEG.
Seite teilen
Um die Inhalte dieser Seite mit Ihrem Netzwerk zu teilen, klicken Sie auf eines der unten aufgeführten Icons.
Hinweis zum Datenschutz: Beim Teilen der Inhalte werden Ihre persönlichen Daten an das ausgewählte Netzwerk übertragen.
Datenschutzhinweise
Alternativ können Sie auch den Kurz-Link kopieren: https://www.deginvest.de/s/dedBZF67.utA
Link kopieren Link kopiert